Prävention und Gesundheitsförderung
Prävention und Gesundheitsförderung sind für viele Menschen Fremdwörter. Bewegungsarmut, Übergewicht und Stress… und dann Bluthochdruck, Herz-, Kreislaufprobleme und Diabetes die Folge davon. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Qigong und/oder Taijiquan Übungen als wirksame, zweckmässige und wirtschaftliche Mittel für die Prävention dienen können.
Gastbeitrag der Schweizerischen Gesellschaft für Qigong und Taijiquan
Informationsdokument für Krankenkassen, Ärzte und therapeutische Fachkräfte

Welchen Beitrag können die Chinesischen Bewegungskünste Qigong und Taijiquan zur Gesundheitsförderung leisten?
Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit im Fokus der WZW-Kriterien:
• Sturzprophylaxe
• Rückentraining
• Förderung der allgemeinen Gesundheit
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Methodenbeschreibung
1.1. Qigong (QG)
1.2. Taijiquan (TJ)
1.3. Gemeinsamkeiten von QG und TJ
2. Wirksamkeit von QG / TJ
2.1. Evidenzlage zur Wirksamkeit von QG / TJ als Sturzprophylaxe
2.2. Evidenzlage zur Wirksamkeit von QG / TJ bei Rückenbeschwerden
2.3. Evidenzlage zur Wirksamkeit von QG / TJ zur allgemeinen Gesundheitsförderung
3. Zweckmässigkeit
3.1. Zur Zweckmässigkeit von QG / TJ
4. Wirtschaftlichkeit
4.1. Ethikleitlinien der SGQT
4.2. Akkreditierung von Neumitgliedern
4.3. Weiterbildungspflicht für Aktivmitglieder
4.4. Weiterbildungsanlässe und Austauschmöglichkeiten für Verbandsmitglieder
4.5. Erfahrungsaustausch mit verwandten Berufsverbänden unserer Nachbarländer
5. Schlusswort
6. Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Schweizerische Gesellschaft für Qigong und Taijiquan (SGQT) wurde im Jahr 2000 als Berufsverband von Qigong- und Taijiquan-Lehrpersonen in der Schweiz gegründet. Mit dem vorliegenden Dokument ist es dem Vorstand der SGQT ein Anliegen, Krankenkassen und medizinisch-therapeutische Fachkräfte anhand der WZW-Kriterien (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit)[1] über die Chinesischen Bewegungskünste Qigong (QG) und Taijiquan (TJ) und deren Potential zur Gesundheitsförderung zu informieren. Zusätzlich zur soliden Evidenzlage für QG und TJ werden die von der SGQT durchgeführten Massnahmen zur Qualitätssicherung und -förderung bei der Aus- und Weiterbildung der Verbandsmitglieder vorgestellt. Alle nachfolgenden Informationen sollen den Krankenkassen bei der Prüfung einer Aufnahme von QG und TJ in den Katalog der Versicherungsleistungen zur Entscheidungsgrundlage beitragen. Die Übersicht der aktuellen Studienergebnisse zu QG und TJ soll auch für Ärzte und therapeutische Fachkräfte eine nützliche Orientierungshilfe bei der Beratung ihrer Patienten sein. Wir vom Vorstand der SGQT nehmen uns gerne weiterführenden Fragen zu QG und TJ an und freuen uns über eine wirkungsvolle Zusammenarbeit im Dienste der Gesundheitsförderung.
1. Methodenbeschreibung
1.1. Qigong (QG)
Qigong, auch „Qi Gong“ und „Chi Kung“ geschrieben, bedeutet soviel wie „Kultivierung und Aktivierung der Lebenskraft“. Als QG werden traditionelle Bewegung-, Atem- und Meditationstechniken bezeichnet, welche sich in China unter daoistischen, buddhistischen und medizinischen Einflüssen über Jahrhunderte hinweg entwickelt haben.[2] Eine wichtige Grundlage im QG bilden die Theorien und Prinzipien der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Dazu zählen unter anderem auch das Prinzip der sich ergänzenden und ausgleichenden Polaritäten (Yin und Yang) und die Lehre von energetischen Leitbahnen (Meridiane). Die Bewegungsabläufe im QG sollen zu innerer Ausgeglichenheit beitragen und damit ein freies Fliessen der Lebenskraft (= Qi) begünstigen. Bewegung, Atmung und Meditation sind allen QG-Formen gemeinsam. Wohl können sich diese in der Gewichtung der drei Elemente unterscheiden, doch zielen sie alle auf einen Zustand der Entspannung und des Loslassens, welcher sich positiv auf den ganzen Körper auswirkt. Neben Übungen im Stehen und Gehen gibt es auch Übungen im Sitzen und Liegen, so dass auch ältere, schwache oder kranke Menschen von QG profitieren können.[3]
1.2. Taijiquan (TJ)
Taijiquan, mancherorts gekürzt auch als „Taiji“ oder „Tai Chi“ bezeichnet, hat seinen Ursprung in den chinesischen Kampfkünsten. Der Begriff „Taiji“ bezeichnet ein harmonisches Zusammenwirken von einander sich ergänzenden Qualitäten (Yin und Yang). Komplementäre Bewegungseigenschaften wie rund und gerade, leicht und schwer, weich und fest fliessen in dieser Bewegungskunst zusammen und verleihen ihr einen geschmeidigen, kraftvoll-entspannten Charakter.[4] Heutzutage wird TJ überwiegend zur Gesundheitsförderung und Achtsamkeitsschulung vermittelt.[5] Allen TJ-Stilrichtungen gemeinsam sind die grundlegenden Bewegungsprinzipien: Der aufrecht ausgerichtete, entspannte und gut geerdete Körper soll möglichst in seiner Ganzheit wahrgenommen und von der eigenen Körpermitte aus achtsam und ruhig bewegt werden.[6] Nebst den meditativen Bewegungsabläufen zählen zum TJ-Training auch Grundlagenübungen, welche grosse Ähnlichkeiten zu QG-Übungen aufweisen. Auch TJ-Partnerübungen und das Üben mit Gegenständen und Trainingswaffen können Bestandteil eines TJ-Unterrichts sein.[7]
1.3. Gemeinsamkeiten von QG und TJ
Während in den vorherigen beiden Unterkapiteln QG und TJ einzeln vorgestellt wurden, sollen an dieser Stelle die Gemeinsamkeiten der beiden Methoden vergegenwärtigt werden.
• Beide Methoden werden heute überwiegend zur Gesundheitsförderung vermittelt.
• Für beide Methoden sind gelenksschonende, achtsame und überwiegend langsam ausgeführte Bewegungen charakteristisch.
• Bei beiden Methoden sind körperliche Entspannung, strukturelle Ausrichtung, mentale Sammlung und Aufmerksamkeitslenkung von grundlegender Bedeutung.
• Bei beiden Methoden sind Konzepte der TCM wie komplementäre Polaritäten (Yin und Yang), Vitalenergie (Qi), Energiezentren, Leitbahnen (Meridiane) und deren Vitalpunkte vertreten.
• Beide Methoden haben ihren Ursprung in China, werden hierzulande jedoch transkulturell und konfessionsneutral vermittelt.
• TJ-Lektionen beinhalten in der Regel immer auch Übungselemente aus dem QG.
Da QG und TJ mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufweisen, von der SGQT als gleichwertig vertreten und auch in der Forschungsliteratur oft in zusammenfassender Form dokumentiert werden, wird in den nachfolgenden Kapiteln die Evidenzlage zu QG und TJ ebenfalls auf diese Weise dargestellt.
2. Wirksamkeit von QG / TJ
In den letzten zwei Jahrzehnten ist das wissenschaftliche Interesse an klinischer Untersuchung der beiden non-invasiven Interventionsformen QG und TJ kontinuierlich gestiegen.[8] Die aktuelle Evidenzlage beider Methoden zu „Sturzprophylaxe“, „Rückenbeschwerden“ und „allgemeiner Gesundheitsförderung“ wird in den folgenden Unterkapiteln in zusammengefasster Form präsentiert.
2.1. Evidenzlage zur Wirksamkeit von QG / TJ als Sturzprophylaxe
In einer systematischen Übersichtsarbeit von Zou et al. konnten in fünf von sechs randomisiert kontrollierten Studien (RCT) signifikante positive Effekte von QG auf das Gleichgewicht nachgewiesen werden. Die Meta-Analyse zu den sechs Studien ergab einen signifikanten Effekt mit hoher Effektstärke zu Gunsten von QG als Methode zur Gleichgewichtsförderung. Die in den Studien untersuchten Populationen umfassten jüngere und ältere gesunde Erwachsene, sowie auch von Parkinson betroffene Patienten.[9] In Übereinstimmung mit dieser Ergebnislage, konnte in einer im Folgejahr veröffentlichten RCT mit 50 Kniearthrose-Patienten eine überzufällige Verbesserung der Propriozeption und der posturalen Stabilität in der Interventionsgruppe infolge eines drei monatigen QG-Trainings festgestellt werden.[10] Auch für TJ als Sturzprophylaxe kommen systematische Übersichtsarbeiten zum übereinstimmenden Schluss, dass in qualitativ hochwertigen RCT’s signifikante Verbesserungen des Gleichgewichts durch TJ bei gesunden älteren Menschen,[11] wie auch bei Parkinson- und Hirnschlag-Patienten[12] ebenfalls mit hohen Effektstärken nachgewiesen wurden. Die für QG und TJ charakteristischen, meist in aufrechter Körperausrichtung ausgeführten, langsamen Bewegungen und achtsamen Gewichtsverlagerungen führen bei regelmässigem Training zu neuromuskulären Veränderungen, die mit einer grösseren posturalen Stabilität und einem ruhigeren Gangbild einhergehen und somit wesentlich zur Minderung des Sturzrisikos beitragen.[13]
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass aktuellen systematischen Übersichtsarbeiten zufolge QG und TJ das Gleichgewicht sowohl bei gesunden als auch erkrankten Personen deutlich verbessert. Die Wirksamkeit beider Methoden zur Sturzprophylaxe konnte in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen werden.
2.2. Evidenzlage zur Wirksamkeit von QG / TJ bei Rückenbeschwerden
In einer 2019 veröffentlichten systematischen Übersichtsarbeit wurden die Ergebnisse aus 11 RCT’s zur Wirkung von QG und TJ bei der Behandlung von insgesamt 886 Patienten mit Lumbalgien zusammengefasst. Die Meta-Analyse ergab im Vergleich zu den aktiven und passiven Kontrollgruppen signifikant verminderte Werte zur Schmerzintensität mit mittlerer Effektstärke bei den QG- und TJ-Interventionsgruppen. Auch die schmerzbedingten Beeinträchtigungen haben bei Patienten, die an einem QG oder TJ Training teilnahmen, im Vergleich zu Patienten in den Kontrollgruppen mit einer mittleren bis hohen Effektstärke überzufällig abgenommen.[14] Konsistent zu dieser Befundlage wurde in der jüngsten RCT zur Untersuchung der Wirkung eines sechswöchigen Qigong Kurses bei 72 Personen mit chronischen unspezifischen Schmerzen im unteren Rückenbereich bei der QG-Interventionsgruppe eine im Vergleich zur Warteliste-Kontrollgruppe signifikante Abnahme der Schmerzintensität und der schmerzbedingten Beeinträchtigungen, sowie auch eine signifikante Verbesserung des Bewegungsradius und der Rumpfmuskelkraft festgestellt.[15] Die Evidenzlage für TJ zur Schmerzreduktion bei Patienten mit Rückenschmerzen gründet auf signifikanten und klinisch relevanten Ergebnissen mit hohen Effektstärken aus methodisch sorgfältig durchgeführten RCT’s und ist daher als sehr gut zu bewerten.[12, 16] Ein möglicher Grund für diese positive Ergebnislage dürfte in der niedrig bis moderaten und gelenksschonenden Trainingsintensität von QG und TJ zu finden sein, welche selbst körperlich geschwächten und durch Schmerzen beeinträchtigten Personen den Zugang zu einer aktiven Teilnahme an den Kursstunden ermöglicht.[12]
Zusammenfassend lässt sich aufgrund sehr guter Evidenzlage sagen, dass Patienten mit Lumbalgien von einem regelmässigen QG- bzw. TJ-Training profitieren. Ihre Schmerzen und schmerzbedingten Beeinträchtigungen nehmen ab und ihre Rumpfbeweglichkeit und -muskelkraft nehmen zu.
2.3. Evidenzlage zur Wirksamkeit von QG / TJ zur allgemeinen Gesundheitsförderung
Einer amerikanischen Umfragestudie zufolge ist „Gesundheitsförderung“ bei 74,2% der befragten QG und TJ Praktizierenden der Hauptgrund für ihre Übungspraxis. Tatsächlich bekundeten auch 74,1% der Befragten eine Verbesserung der allgemeinen Gesundheit und Befindlichkeit und 83,2% eine Verminderung des Stressempfindens als Folge ihres QG- resp. TJ-Trainings.[17] Eine Befragung von 136 in der Deutschschweiz tätigen TJ-Lehrpersonen hat ergeben, dass auch für 90,4% der befragten Leistungserbringer die Gesundheitsförderung einen wichtigen Stellenwert in ihrer TJUnterrichtsgestaltung einnimmt.[5] Als Indikatoren für eine wirkungsvolle Förderung der allgemeinen Gesundheit können eine Verbesserung der Schlafqualität, eine Verminderung des Stressempfindens und eine Zunahme der allgemeinen Selbstwirksamkeit erachtet werden. Diversen aktuellen Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen zufolge, konnte in der Mehrzahl der bisher publizierten RCT’s ein signifikanter, positiver Einfluss von QG und TJ auf Schlafqualität,[9, 18] Stressreduktion [19, 20] und allgemeine Selbstwirksamkeit [21, 22] (= Die Überzeugung einer Person, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können) nachgewiesen werden, weshalb die Evidenzlage zur QG und TJ bedingten Verbesserung dieser Parameter in den oben zitierten Übersichtsarbeiten als vielversprechend bis überzeugend beurteilt wurde. Da diese Ergebnisse überwiegend auf psychometrischen Daten basieren, welchen die Selbstbeurteilung der Studienteilnehmenden zugrunde liegt, können konfundierende Einflüsse, wie z.B. soziale Erwünschtheit und erinnerungsbedingte Verzerrungseffekte, nicht ausgeschlossen werden. Mittlerweile liegen jedoch einige RCT’s vor, in welchen auch biometrische Messwerte erhoben wurden. In diesen konnte bei den QG und TJ Praktizierenden im Kontrollgruppenvergleich eine signifikante Abnahme des Ruhepulses [9, 15, 23] und des systolischen und diastolischen Blutdrucks [9, 15, 24] gemessen werden. Den Autoren zufolge sprechen diese Ergebnisse für einen regulativen Einfluss von QG und TJ auf das parasympathische Nervensystem, indem sie dessen energiesparende und regenerative Funktionsweise begünstigen. Dass ein dreimonatiges TJTraining auch die psychobiologische Stressreaktivtät zu vermindern vermag, konnte in einer an der Universität Bern durchgeführten RCT bei 49 gesunden Erwachsenen nachgewiesen werden. In dieser Studie wies die TJ-Gruppe während eines standardisierten psychosozialen Stresstests signifikant niedrigere Herzraten-, Cortisol- und Alphaamylase-Werte auf als die Warteliste-Kontrollgruppe.[25] Darüber hinaus wurde in der TJ-Gruppe unmittelbar nach Interventionsende sowie zwei Monate danach ein im Kontrollgruppenvergleich signifikantes, stark vermindertes Stresserleben und eine überzufällig erhöhte allgemeine Selbstwirksamkeit beobachtet.[26] Die auf biometrischen Daten gestützten Studienergebnisse aus der QG und TJ Forschung können in einem plausiblen Zusammenhang mit verbesserter Schlafqualität, verminderter Stressbelastung und erhöhter Selbstwirksamkeit betrachtet werden.
Aktuellen Forschungsarbeiten zufolge darf davon ausgegangen werden, dass ein regelmässiges Ausüben von QG und TJ förderlich für die allgemeine Gesundheit ist und mit einer Verbesserung der Schlafqualität, einer Erhöhung der allgemeinen Selbstwirksamkeit und einer Verminderung des Stressempfindens einhergeht. Auch Biometrische Studienergebnisse sprechen für eine antihypertensive und stressprotektive Wirkung von QG und TJ.
3. Zweckmässigkeit
Die Zweckmässigkeit von QG und TJ wird im Folgenden anhand des Positionspapiers der Arbeitsgruppe Qualität der FMH [1] erörtert.
3.1. Zur Zweckmässigkeit von QG / TJ
„Eine Handlung ist zweckmässig, wenn sie dem angestrebten Zweck entspricht, sich diesbezüglich als besonders geeignet und auch als fachlich/wissenschaftlich akzeptierte Empfehlung erweist.“ [1]
Wie aus der vorangegangenen Sichtung der Forschungsliteratur zu QG und TJ hervorgeht, erweisen sich beide Methoden aufgrund ihrer wissenschaftlichen Evidenzlage und ihren charakteristischen Eigenschaften wie der langsamen und achtsam entspannten Bewegungsqualität und der leicht bis moderaten, gelenksschonenden Bewegungsintensität als besonders geeignet zur Sturzprophylaxe, zur Behandlung von Rückenbeschwerden und zur Förderung der allgemeinen Gesundheit. QG und TJ entsprechen in ihrer Wirkung und Umsetzbarkeit diesen drei angestrebten Zwecken. Dies dürfte mit ein Grund sein für die zunehmende Integration dieser beiden Methoden in interdisziplinäre Therapieprogramme gesundheitlicher Einrichtungen wie Wohn- und Pflegeheime, muskuloskelettale und kardiologische Rehakliniken, sowie psychiatrische und psychosomatische Fachkliniken. Auch die zahlreiche Vertretung von QG und TJ im Sportangebot der Schweizer Universitäten und Fachhochschulen spricht für eine vorhandene Akzeptanz und Nachfrage von QG und TJ als gesundheitsfördernde Massnahme bei gesunden Erwachsenen.[5]
„Unter einer zweckmässigen Massnahme wird verstanden, dass sie an den konkreten Fall angepasst ist und dass sich ein Heilungserfolg erwarten lässt.“ [1]
QG und TJ lassen sich bezüglich Vermittlung und Ausgestaltung der Unterrichtsinhalte sehr gut auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten verschiedener Zielgruppen anpassen. Beide Methoden können je nach Bedarf sowohl im Gruppen- als auch im Einzelsetting vermittelt werden. Auch die Auswahl und Adaptation von spezifischen Übungen (z.B. Anpassung des Schwierigkeitsgrades) lassen sich sehr gut auf die jeweilige Bedarfslage abstimmen. Bedingend hierfür ist jedoch, dass die Leistungserbringenden über eine ausgewiesene methodische und didaktische Fachkompetenz verfügen. Da es sich bei QG und TJ um Methoden zur allgemeinen Gesundheitsförderung handelt, ist ihr Einsatzschwerpunkt in erster Linie in der primären und sekundären Krankheitsprävention anzusiedeln.[12] Daher ist die Erwartung von einem „Heilungserfolg“ durch QG und TJ unangebracht. Wohl aber darf erwartet werden, dass durch eine regelmässige Kursteilnahme eine der allgemeinen Gesundheit zuträgliche Wirkung von QG und TJ erzielt werden kann,[17] und dass die vermittelten Kursinhalte sich nachhaltig nutzbringend in verschiedenen Bereichen der individuellen Alltagsgestaltung positiv bemerkbar machen können.[27] Hierzu dürfen nach Sichtung der wissenschaftlichen Studienlage (siehe Kapitel 2) auch eine Verbesserung des Gleichgewichtes und eine Minderung von Rückenbeschwerden gezählt werden.
„Wenn der erwartete Gesundheitsnutzen die erwarteten negativen Konsequenzen einer Leistung übersteigt, kann von einer zweckmässigen Massnahme gesprochen werden“ [1]
Da der zu erwartete Gesundheitsnutzen einer regelmässigen Trainingspraxis in QG und TJ in den vorangegangenen Kapiteln bereits ausführlich thematisiert wurde, sollen an dieser Stelle potentielle negative Konsequenzen von QG und TJ erörtert werden. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse sind im Zusammenhang mit dem Ausüben von QG und TJ äusserst unwahrscheinlich. Zu diesem Schluss sind verschiedene systematische Übersichtsarbeiten gekommen, zumal in den gesichteten Forschungsarbeiten keine bis nur leichte, transient auftretende unerwünschte Ereignisse dokumentiert wurden, die in einem Kausalzusammenhang mit der Intervention gebracht werden konnten. Zu diesen leichten und vereinzelt auftretenden Nebenwirkungen zählen Bewegungseinschränkungen und schmerzhafte Empfindungen in den Knien, Sprunggelenken und im Rückenbereich.[14, 28, 29, 30] In klinischen Studien mit Patienten mit muskuloskeletalen Beschwerden resp. Komorbiditäten darf von einer erhöhten Auftretenswahrscheinlichkeit von milden interventionsbedingten unerwünschten Ereignissen ausgegangen werden. Im Vergleich zu RCT’s, in welchen Yoga als Interventionsform bei Rückenpatienten untersucht wurde, sind in QG und TJ Studien deutlich weniger unerwünschte Ereignisse rapportiert worden.[30] Für Teilnehmende in TJ-Gruppen wurden nicht mehr unerwünschte Ereignisse registriert als für Teilnehmende in aktiven und passiven Kontrollgruppen. Nur in klinischen Studien mit Patienten, die an einem Herzfehler leiden, wurden für Patienten in den TJGruppen sogar weniger unerwünschte Ereignisse berichtet als für Patienten in den Kontrollgruppen.[29]
Die Forschungsergebnisse zusammenfassend darf davon ausgegangen werden, dass es sich bei QG und TJ unter fachkundiger Anleitung um zwei sichere Methoden handelt, die im Verhältnis zu ihrem geringen Nebenwirkungsrisiko einen sehr hohen zu erwartenden Gesundheitsnutzen aufweisen.
4. Wirtschaftlichkeit
„In einem ersten Schritt muss die Wirksamkeit einer Massnahme überprüft werden, darauf folgend wird die Zweckmässigkeit anhand verschiedener Behandlungsmethoden untersucht. Wenn beide Kriterien erfüllt sind, ist eine Leistung wirtschaftlich, wenn nicht ein erhebliches Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen besteht.“ [1]
Aus Sicht des Vorstandes der SGQT sind die ersten beiden Kriterien „Wirksamkeit“ und „Zweckmässigkeit“ für die Methoden QG und TJ erfüllt (siehe Kapitel 2 und 3). Auch liegt unseres Erachtens kein Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen vor, was für die Wirtschaftlichkeit beider Methoden spricht. Uns ist bewusst, dass der Nutzen einer Methode in erheblichem Masse von der Fachkompetenz ihrer Leistungserbringer abhängig ist. Als Schweizerischer Berufsverband für professionelle QG- und TJ-Unterrichtende setzen und fördern wir hohe qualitative und ethische Berufsstandards. Im Nachfolgenden werden die einzelnen Massnahmen der SGQT zur Qualitätssicherung und -förderung vorgestellt.[31]
4.1. Ethikleitlinien der SGQT
Voraussetzung für eine Verbandsmitgliedschaft ist die Anerkennung und Einhaltung der Ethikleitlinien der SGQT. Berufsethische Verhaltensweisen wie dem Begegnen aller Menschen mit Respekt und der Achtung ihrer Würde, dem Akzeptieren und Achten ihrer Andersartigkeit und der Wahrung der eigenen persönlichen Integrität wie auch jene der Mitmenschen stehen im Zentrum der Leitlinien. Die SGQT versteht sich daher als eine konfessionell und parteipolitisch unabhängige Organisation und lehnt jegliche sektenhafte Tätigkeit ab.
4.2. Akkreditierung von Neumitgliedern
Die SGQT Fachgruppen für QG und TJ prüfen jedes Gesuch um Mitgliedschaft. Die Erfüllung der Aufnahmekriterien richtet sich nach dem Inhalt und Umfang der Ausbildung sowie der Erfahrung im Vermitteln von QG und / oder TJ. Die Aktivmitglieder erhalten von der SGQT eine Urkunde, welche die Ausbildungsstufe entsprechend der ausgewiesenen Fachkompetenzen bestätigt. Unterschieden werden drei Ausbildungsstufen: Kursleitende, Lehrer/Innen und Ausbildende.[32]
4.3. Weiterbildungspflicht für Aktivmitglieder
Jedes Aktivmitglied verpflichtet sich durch Aufnahme in den Verband zur laufenden Weiterbildung, die im Minimum 25 Stunden innerhalb von zwei Jahren umfassen muss. Der Nachweis der Weiterbildung wird alle zwei Jahre vom Vorstand bei den Mitgliedern eingefordert. Die Erfüllung der Weiterbildungspflicht ist Voraussetzung für die Rezertifizierung der Aktivmitgliedschaft.
4.4. Weiterbildungsanlässe und Austauschmöglichkeiten für Verbandsmitglieder
Die SGQT organisiert für ihre Verbandsmitglieder jährlich verschiedene Weiterbildungs- und Austauschanlässe zwecks Förderung der Fachkompetenz, Know-how Austausch und Vernetzung unter den Mitglieder. Diese Gefässe werden auch genutzt um die SGQT-Mitglieder über aktuelle QG- und TJ-spezifische und berufspolitische Entwicklungen direkt zu informieren.
4.5. Erfahrungsaustausch mit verwandten Berufsverbänden unserer Nachbarländer
Kontaktpflege und Erfahrungsaustausch des SGQT-Vorstandes mit den Vorstandsmitgliedern der QG- und TJ-Berufsverbände unserer Nachbarländer nimmt einen wichtigen Stellenwert bspw. beim Festlegen resp. Aktualisieren von qualitativen Anforderungskriterien für eine Aktivmitgliedschaft. Unsere aktuellen Anforderungskriterien sind vergleichbar mit jenen unserer Partnerverbände in Deutschland und Österreich.
Die SGQT setzt sich für ein Qualitätslabel ein, welches die fachliche Kompetenz der QG- und TJ-Unterrichtenden zum Ausdruck bringt. Damit erhalten interessierte Personen die Möglichkeit, unter der Vielfalt der Angebote jene QG und TJ-Lehrpersonen auszusuchen, die über eine ausgewiesene und geprüfte Fachkompetenz verfügen und sich zur Wahrung eines qualitativ und ethisch hochstehenden Berufsstandards verpflichtet haben.
5. Schlusswort
Mit unserem Engagement zur Qualitätssicherung und -förderung der SGQT zertifizierten Lehrpersonen tragen wir zu einem hohen Gesundheitsnutzen von QG und TJ bei und wirken potentiellen negativen Konsequenzen deren unsachgemässer Vermittlung entgegen. Wir wünschen uns, dass möglichst viele Menschen in der Schweiz QG und TJ als zwei für sie wirksame, zweckmässige und wirtschaftlich erschwingliche Methoden zur Gesundheitsförderung kennenlernen und praktizieren können. Erste Krankenkassen haben bereits den Gesundheitsnutzen von QG und TJ für ihre Versicherten erkannt und beide Methoden in das Leistungsangebot ihrer Zusatzversicherungen aufgenommen. Viele Kursteilnehmende müssen jedoch ihre Kursbeiträge trotz Zusatzversicherung immer noch selbst finanzieren. Für viele Interessierte stellt dies eine ökonomische Barriere dar. Deshalb setzen wir uns für die Anerkennung von QG und TJ als zwei die WZW-Kriterien erfüllenden Methoden zur Sturzprophylaxe, zur unterstützenden Behandlung von Rückenbeschwerden und insbesondere auch zur Förderung der allgemeinen Gesundheit ein. Damit wäre nicht nur der primären und sekundären Krankheitsprävention der Versicherungsnehmer nachhaltig gedient, auch könnten krankheitsbedingte Behandlungskosten bei den QG und TJ praktizierenden Versicherten mittel und längerfristig einspart werden.
Wir hoffen auf eine für alle Beteiligte gewinnbringende Veränderung und freuen uns über eine konstruktive, der Gesundheitsförderung dienende Zusammenarbeit mit den Krankenkassen, Ärzten und therapeutischen Fachkräften.
Im Namen des SGQT-Vorstandes

Beatrice Gemperli-Link – SGQT Präsidentin

Dr. phil. Marko Nedeljković – Fachgruppenleitung Taijiquan
Zürich, im Juli 2020
6. Literaturverzeichnis
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- Schweizerische Gesellschaft für Qigong und Taijiquan (SGQT) Methodenbeschrieb zu Qigong: https://sgqt.ch/ueber-qigong-taijiquan/
- EMfit Methodenbeschrieb zu Qigong: http://www.emfit.ch/methoden/methode.las?m=1093 (zuletzt aufgerufen am 29. Mai 2020).
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- Statuten der Schweizerischen Gesellschaft für Qigong und Taijiquan (SGQT): https://sgqt.ch/wp-content/uploads/2022/03/SGQT-Statuten-2021.pdf
- Aufnahmekriterien der Schweizerischen Gesellschaft für Qigong und Taijiquan (SGQT): https://sgqt.ch/wp-content/uploads/2022/03/SGQT-Aufnahmekriterien-2021.pdf
PDF-Download:
Ende Gastbeitrag
PS
Die durch das SARS-CoV-2-Virus verursachte Pandemie ruft nach einem gut funktionierenden Abwehrsystem. Nachfolgend zwei Beiträge, welche zeigen, was Qigong bewirken kann:
Qigong und Covid-19
Immunsystem stärken